Familie Bernhard und Ernestine Braunschweiger

Bahnhofstraße 12 (heute Nr. 20, Fassade verändert)

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Ernestine Braunschweiger geb. Jakob (geb. am 7. Mai 1891) stammte aus Breitenbach am Herzberg. Verheiratet war sie  mit  dem Handelsmann Bernhard Braunschweiger (geb. 21.5.1880 in Steinbach), der ein Bruder  des Doppelhaus-Nachbarn David war.  Das Ehepaar Bernhard und Ernestine Braunschweiger hatte eine Tochter:


Herta geb. 1914    

Gegen 1900 hatte Bernhards Vater, der Viehhändler Mendel Braunschweiger, das Doppelhaus in der Bahnhofstraße erworben und war mit seiner großen Familie von Steinbach nach Burghaun gezogen.

  

Als Kaiser Wilhelm am 1. August 1914 zu den Waffen rief, zog Bernhard Braunschweiger als national gesinnter deutscher Soldat mit seinen Kameraden in den ersten Weltkrieg. Er fiel "fürs Vaterland" am 9. April 1916.

 

Das Foto zeigt ihn voll bewaffnet im Schützengraben.   

 

Ernestine soll für die Leute im Dorf genäht haben, um ihre kleine Rente, die sie als Kriegerwitwe bekam, etwas aufzubessern. Ihre Tochter Herta, die nun ohne Vater aufwachsen musste, besuchte die jüdische Volksschule in Burghaun und durchlief anschließend eine kaufmännische Lehre. Nach dem Abschluss der Lehre etwa 1931 fuhr Herta täglich mit dem Zug nach Fulda, wo sie als Büroangestellte in dem Manufaktur-waren-Geschäft Ansbacher und Kugelmann in der Heinrichstraße arbeitete.  

Ausschnitt aus einem Formular des Finanzamtes
Ausschnitt aus einem Formular des Finanzamtes

Im Januar 1939 waren Mutter und Tochter noch in Burghaun anwesend. Unter dem Druck der Verfolgung beantragten sie am 23. Januar 1939 die Ausstellung von Reisepässen zum Zweck der Auswanderung.

Als Auswanderungsziel gaben sie Nord-Rodesien an! Anscheinend hatten die beiden Frauen von einer Möglichkeit gehört, nach Afrika zu entkommen. Egal wohin, nur fort aus Nazi-Deutschland! Das war damals die Devise. Aber offensichtlich wurde nichts daraus, es blieb nur eine vage Hoffnung, die sich nicht verwirklichen ließ.  

Im Lauf des Jahres 1939 müssen Ernestine und Herta Braunschweiger Burghaun verlassen haben und nach Frankfurt am Main verzogen sein, in der Hoffnung, in der Großstadt überleben zu können. Bis 1941 wohnten sie dort im Baumweg 33.

 

Herta gelang es gerade noch rechtzeitig von Frankfurt nach London zu entkommen. Dort heiratete sie später den Zahnarzt Erwin Lewek aus Berlin, der schon in den 1950er Jahren starb. Da sich Herta ohne Angehörige in London nicht wohl fühlte, übersiedelte sie nach Israel zu Verwandten ihres Mannes. In den 1960er Jahren kam sie schließlich nach New York. In den letzten Jahren ihres Lebens wohnte sie alleine und zurückgezogen in einem kleinen Appartement im Stadtteil Bronx, wo sie 1902 vereinsamt und unbemerkt starb.

 

Ernestine Braunschweiger versuchte 1941 noch von Frankfurt aus zu ihrer Tochter nach London zu gelangen, ein Container mit Umzugsgut, ein sog. Lift, war bereits unterwegs. Sie selbst sei mit Sack und Pack bis nach Hamburg gekommen, konnte aber nicht mehr fliehen, da irgend etwas mit der Bürgschaft nicht geklappt hatte. So etwa hat es Herta später früheren Burghauner Nachbarn berichtet. Ernestine musste also zurück nach Frankfurt in den Baumweg 33. Von dort wurde sie am 11. November 1941 zusammen mit weiteren elf Menschen aus Burghaun, die in Frankfurt Schutz gesucht hatten, in das Ghetto Minsk deportiert, welches sie nicht überlebte. Vermutlich ist sie dort einer der grausamen Mordaktionen zum Opfer gefallen.

Der Lift mit dem Eigentum der Familie ist natürlich nie in London angekommen.

 

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